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Thomas Kling - testherz

Dies ist das Titelgedicht des ersten Gedichtbands von T. Kling.

T. Kling und N. Stiller kannten sich Ende der Siebzigerjahre unter anderem aus dem Ratinger Hof und benachbarten Kneipen, Kling bewarb sich damals mit einem Glas Bier in der Hand um eine Teilnahme an der Litfassliteratur. Stiller hatte einige Jahre zuvor in seinem eigenen ersten Lyrik- Und Kurzprosaband „Pampelmusen“ einen Text zum selben Thema veröffentlicht, in dem man seine Vorbildung als Arzt spüren kann:

Aus der Praktikumsanleitung

Ich zitiere: Ein Frosch wird mit einem Tuch so gefasst, dass nur noch der Kopf aus der geschlossenen Hand herausragt‚ dann wird das stumpfe Blatt einer Schere zwischen Ober- und Unterkiefer geschoben und so gedreht, dass das scharfe Blatt hinter den Augen liegt. Dabei sollte der Frosch über einen Abfalleimer gehalten werden. Dann wird der Hirnschädel mit einem schnellen Scherenschlag abgetrennt. Durch Einstoßen und Drehen einer Sonde wird das Rückenmark zerstört. Dann wird die Haut des Beckens zirkulär durchtrennt. Die linke Hand fasst den Rumpf, mit der rechten kann die Haut beider Beine vollständig und in einem Stück abgezogen werden. Danach sollten alle benutzten Instrumente und die Hände unter fließendem Wasser gereinigt werden.

Im Gegensatz zu Klings Gedicht ist Stillers Text (tatsächlich) ein Zitat aus einer Praktikumsanleitung für Medizinstudenten, was er damals – in Anlehnung an einen in der Kunst-Szene gängigen Begriff – als ein literarisches Readymade bezeichnete.

Es ist nach Stillers Erinnerung unwahrscheinlich, dass Kling diesen Text kannte. Der Band „Pampelmusen“ fand nur geringe Verbreitung. Allerdings hat Stiller etliche Lesungen daraus bestritten. – Sicher ist hingegen, dass Stiller das testherz-Gedicht von Thomas Kling damals für seine Litfasslite­ratur aussuchte, weil ihm selber das Thema besonders nahe lag.

 

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